4 Berufs- und Studienorientierung in Klassenstufe 10
Mit der Integration der 10. Klassen in den teilgebundenen Ganztag am Käthe-Kollwitz-Gymnasium wird ein entscheidender Entwicklungsschritt vollzogen: Die Phase der Berufs- und Studienorientierung (BSO) erhält nun eine verlässliche und zugleich individualisierbare Struktur. Ziel ist es, den Schüler*innen in der Einführungsphase der Oberstufe nicht nur Orientierung, sondern auch konkrete Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungskompetenz zu vermitteln – eingebettet in ein transparentes, planbares und pädagogisch begleitetes System.
Im Zentrum dieses Konzepts steht das sogenannte TimeCredit-System (TC), vgl. 4.1. Es ergänzt punktuelle Informationsveranstaltungen oder ein einmaliges Praktikum durch einen ganzjährigen, modular aufgebauten Orientierungsprozess. Die Schüler*innen gestalten ihr individuelles BSO-Jahr, indem sie an vielfältigen Angeboten teilnehmen, die jeweils mit einer bestimmten Zahl an „TimeCredits“ verbunden sind. Durch die Teilnahme sammeln sie im Laufe des Schuljahres eine definierte Menge an TimeCredits, mit denen sie ihre Verpflichtung im Rahmen des teilgebundenen Ganztags erfüllen.
Dieser Ansatz betont ausdrücklich Eigenverantwortung und Selbstständigkeit als zentrale Entwicklungsziele. Die Schüler*innen übernehmen selbst die Verantwortung für die Planung, Auswahl und Dokumentation ihrer BSO-Aktivitäten. Begleitet werden sie durch Beratungsgespräche und strukturierte Reflexionsphasen, doch im Mittelpunkt steht die aktive Gestaltung eines individuellen, zu ihren Interessen und Lebensentwürfen passenden Orientierungswegs. Sie erfahren so, dass Entscheidungen Zeit erfordern, gut vorbereitet sein müssen und Konsequenzen mit sich bringen – eine zentrale Kompetenz, die insbesondere mit Blick auf die Qualifikationsphase und die Zeit danach an Bedeutung gewinnt.
Das Konzept reagiert damit auf zwei pädagogische Herausforderungen: Zum einen auf die oft beklagte Zerklüftung der bisherigen BSO-Angebote, die Schüler*innen eher passiv konsumieren als aktiv gestalten. Zum anderen auf die fehlende Zeitstruktur, die die Organisation und Verbindlichkeit dieser Angebote bislang erschwerte – sowohl auf Seiten der Schüler*innen als auch der externen Partner*innen. Durch die Einbindung der BSO in den teilgebundenen Ganztag und die Nutzung fest definierter Zeitfenster entsteht erstmals ein verlässlicher Rahmen, der sowohl Planungssicherheit als auch Flexibilität ermöglicht.
Zudem wird mit dem TimeCredit-System dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lebensrealitäten, Interessen und Entwicklungstempi der Jugendlichen in der 10. Klasse sehr unterschiedlich sind. Manche haben bereits klare Vorstellungen von ihrem weiteren Weg, andere tasten sich erst vorsichtig heran. Die modulare Struktur des Systems trägt dem Rechnung: Sie erlaubt sowohl breit angelegte Orientierung als auch punktuelle Vertiefung und fördert zugleich eine reflektierte Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und Fähigkeiten.
Das Schuljahr 10 nimmt in diesem Konzept eine Schlüsselrolle ein: Es bildet die Brücke zwischen der pädagogisch stärker begleiteten Sekundarstufe I und der eigenverantwortlicher strukturierten Oberstufe. Gerade in dieser Übergangsphase ist es von zentraler Bedeutung, den Jugendlichen Räume und Impulse für die Entwicklung jener Kompetenzen zu geben, die sie in der Qualifikationsphase zwingend benötigen: Selbstorganisation, Entscheidungsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Teamfähigkeit, aber auch die Fähigkeit zur kritischen Reflexion und zum zielgerichteten Handeln.
Berufs- und Studienorientierung wird so nicht als Zusatz oder Pflichtaufgabe verstanden, sondern als integraler Bestandteil einer Persönlichkeitsentwicklung, die in der 10. Klasse bewusst gefördert und herausgefordert wird. Das TimeCredit-System schafft dafür einen klaren Rahmen – aber keinen starren Korridor. Es eröffnet Möglichkeiten, macht Anforderungen transparent und überträgt Verantwortung – und leistet damit einen zentralen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsorientierten Schulkultur am Käthe-Kollwitz-Gymnasium.
Die Konzeption der Berufs- und Studienorientierung im Rahmen des teilgebundenen Ganztags am Käthe-Kollwitz-Gymnasium basiert nicht nur auf pädagogischen Überzeugungen, sondern erfüllt zugleich einen klaren gesetzlichen Auftrag. § 14 Absatz 2 der Sekundarstufe-I-Verordnung (Sek I-VO) des Berliner Schulgesetzes schreibt ausdrücklich vor, dass Maßnahmen der Berufsorientierung im Ganztagsbetrieb verpflichtend sind. Damit wird die Bedeutung der beruflichen Orientierung als zentrales Element schulischer Bildungs- und Erziehungsarbeit unterstrichen. Die Integration der BSO in das TimeCredit-System stellt somit nicht nur eine innovative pädagogische Antwort auf die Herausforderungen der Orientierungsphase dar, sondern auch die konsequente Umsetzung geltender rechtlicher Vorgaben. Durch die feste Verankerung der Berufsorientierung im Ganztagskonzept erfüllt die Schule ihren gesetzlichen Auftrag in strukturierter, flexibler und zugleich nachhaltig wirksamer Form.